Erste Hilfe. Für die Seele.

Wer wir sind >



Und, kommste nochmal wieder? Bericht von einer Hospitation bei der Berliner Feuerwehr.

Interesting

Zur Vervollständigung der Ausbildung zur NotfallseelsorgerIn zählt u.a. ein Hospitationstag bei der Berliner Berufsfeuerwehr. An einem Sonntag im Juli 2016 erhielt ich nach vorheriger Absprache mit den jeweiligen Leitungskräften die Gelegenheit, einen Alltag auf einer Wache mit zu erleben. Mit dem Wachleiter erfolgte ein gemeinsamer Rundgang durch das Gebäude, sowie eine kurze Einweisung in die Abläufe und Gepflogenheiten auf der Wache (was für mich auch das Wechseln der Alltagskleidung in die rot-weiße Rettungsassistenten-Kluft und das Tragen eines Piepers beinhaltete). Dann wurde ich dem heute diensthabenden Rettungsassistenten vorgestellt, der mir in den darauf folgenden Stunden mit seiner freundlichen und an Infovermittlung interessierten Weise, einen Einblick in Alltag und Aufgaben der Berufsfeuerwehr ermöglichte.

Jeden Morgen um 7 Uhr und abends um 19 Uhr erfolgt die Dienstübernahme. Neben der Durchführung der Einsätze stehen auch tägliche Arbeits- und Übungsdienste sowie Schulungen an. Die Einsatzbelastung bei einem 12-Stunden-Schichtdienst, mit 48 Stunden-woche und häufigen Zusatzschichten, ist auf den insgesamt 35 Berliner Berufsfeuerwehrwachen unterschiedlich stark ausgeprägt. Um die Belastung der Einsatzkräfte dennoch möglichst gering zu halten, sind nicht nur tägliche Wechsel der Einsatzbereiche vorgesehen, sondern auch Wechsel zwischen den Dienststellen (ca. alle 5 J.). Zu den einzelnen Feuerwachen der Berufsfeuerwehr gehören weitere Standorte der Notarzteinsatzfahrzeuge (meist in Krankenhäusern) und einzelner Rettungswagen. Das Personal dieser Standorte ist den Feuerwachen zugeordnet. Auch die Freiwillige Feuerwehruntersteht organisatorisch der Berufsfeuerwache. Wer schon jetzt eingehenderes Interesse an diesem Beruf hat, kann sich natürlich gerne auf der homepage umsehen:

http://www.berliner-feuerwehr.de/ueber-uns/berufsfeuerwehr/alltag-bei-der-berufsfeuerwehr/   
 

Sowohl zwischen den Einsatzfahrten als auch am langen Esstisch in einem der mehreren Aufenthaltsräume, kamen dabei viele Themen zur Sprache, wie z.B. das Berufsbild des zukünftigen Notfallsanitäters und die besorgte Frage des langjährigen Rettungsassistenten: "Was kommt da auf uns zu?" Es ging um Anerkennung, Wertschätzung, Dienstgrade und wechselnde "Stimmungslagen", um Frauen, die in diesem Berufstand nach wie vor eher die Ausnahme sind und das noch in der Tabuzone liegende Thema Homosexualität: “Das würde hier doch niemand offen zugeben!“ Fakt sei auch, dass die Dienstschichten (zur regulären 48h Woche kommen oftmals Zusatzschichten, die u.a. durch einen vergleichsweise hohen Krankheitsstand bedingt sind), für die Familien im Hintergrund eine große Herausforderung darstellen. Die zunehmend häufiger gestellte Frage einer 8jährigen Tochter: “Papa, warum musst du immer sonntags arbeiten, ich möchte auch mal einen Ausflug mit dir und Mama machen, so wie die anderen Kinder…", schmerze. Dann auch wieder das gute Gefühl nach einem Einsatz: “Ich konnte bei diesem Einsatz anderen Menschen in der Not helfen, oder gar ein schlimmeres Unglück mit verhindern!“

Dass nicht jeder eingehende Anruf Not-wendig ist und lebensrettende Maßnahmen erfordert, gehört für die Mitarbeiter zum Alltag und war auch für mich hautnah zu erleben. Dementsprechend gebe es auch mitunter Frust und Enttäuschung. Vielleicht auch deshalb, weil so mancher Einsatz von dem abweicht, was die ursprüngliche Motivation war, diesen Beruf zu erlernen. Laut Medienberichten hat sich das gesellschaftliche Bild der BF innerhalb der Bevölkerung im Laufe der vergangen Jahre erheblich verändert. Dies wurde mir leider heute auch mehrfach bestätigt Es fehle zunehmend an Wertschätzung und Respekt gegenüber diesem Berufsstand. Sätze wie „Ihr seid doch nur die Fußabtreter der Stadt“, wie es einer der Feuerwehrmänner von einem Bekannten zu hören bekam und mir heute erzählte, würden durch Mark und Bein gehen. Und dass dieser Satz immer noch seine Wirkung hatte, war unschwer zu überhören. Doch immer: "Wir nehmen jeden Anruf ernst!" 

Kameradschaft, guter Zusammenhalt und Verlass aufeinander seien bei dieser Arbeit extrem wichtig. Doch nicht immer stimme dieses, ebenso in der Öffentlichkeit vorherrschende Bild der Feuerwehr, auch mit der Realität überein. Doch welches Bild haben die Männer von sich selbst? Hat sich auch das eigene Bild als Feuerwehrmann oder die Vorstellung des ehemaligen Traum-Berufes gewandelt? Was war die ursprüngliche Motivation, diesen Beruf, der unser aller Leben mit sichert (!), zu erlernen? Das zwischenzeitliche Piepsen des Notrufs ließ wenig Zeit für vertiefende Gespräche. Natürlich interessierten mich auch folgende Themen: Welches sind die Einsätze, die am meisten belasten? Wie sieht es mit dem sich-anvertrauen nach besonders belastenden Momenten aus, wie es sie zweifelsohne auch für gestandene, schon langjährig im Dienst stehende Männer immer wieder gibt? Zitat: „Am schlimmsten ist es, wenn ein Kind plötzlich stirbt.“ Eine andere Stimme: „Natürlich gehen auch mir manche Einsätze noch besonders nach. Aber darüber spricht man eigentlich nicht, oder kaum. Früher wurde das eben mit ein paar Bier weggeschüttet. Und dann war es auch wieder gut. Aber heute muss man ja über alles reden…“ Oder auch: „Nein, ich brauche keine Seelsorge oder einen Psychologen oder so. Das mache ich mit mir aus.“ Doch wie es sieht bei Bedarf mit der konkreten Nachbereitung bzw. Verarbeitung aus? Werden diesbzgl. Möglichkeiten tatsächlich genutzt? Klar, es gebe solche Angebote, doch bei der Inanspruchnahme bestehe eher Skepsis und Zurückhaltung. 

Auf die Frage meinerseits: Inwieweit ist die NFS bereits von Einsätzen bekannt und wie waren die bisherigen Erfahrungen mit dieser? erlebte ich für mich Überraschendes: „Was könnt oder macht Ihr denn schon, was wir nicht auch selber bei einem Einsatz machen? Warum arbeitet ihr nicht vorher mit dem Leuten, dann bräuchten wir vielleicht weniger `rausfahren. Da draußen gibt es so viele, denen es seelisch so richtig schlecht geht und die ganz alleine sind. Und um die kümmert sich ja sonst niemand, wenn wir wieder weg sind. Also besonders um die Alten. Das ist auch ein scheiß Gefühl, wenn man da weggeht und die in ihrem Elend alleine zurück lässt.“ Daraufhin meine Frage: was könnte Eurer Meinung nach hilfreich dabei sein, die Vorbehalte gegenüber der NFS zu überwinden und vielleicht eher mal das Angebot der NFS zu nutzen? Die Antwort: "Wenn öfters mal jemand von Euch vorbei käme, das wäre gut. Dann hätte man schon ein Gesicht dazu und dann könnte man auch eher über Belastendes sprechen". Was für eine wichtige Info und wertvolle Anregung! 

Sehr interessant waren auch die mit den heutigen Einsatzfahrten einhergehenden Kontakte mit weiteren, am Einsatz beteiligten Berufsgruppen (Altenpflegekräfte, Polizei, Krankenschwestern, Ärzte). Dass nach einem kürzeren Einsatz bei einer älteren Dame noch Zeit blieb, die nette Einladung einer Polizistin zu einem kleinen Eis auf die Hand anzunehmen, war für die RTW`ler bei der Sommerhitze sicher eine willkommene Abwechslung. Die Gelegenheit, mit ein paar Handgriffen bei der Zubereitung des Abendbrotes helfen und dabei in entspannter Atmosphäre erzählen und zuhören zu können, war für mich eine weitere gute Erfahrung. 

Von den werktags überaus vielseitigen Aufgabenbereichen auf einer Feuerwache, habe ich an einem vergleichsweise eher ruhigen Sonntag natürlich wenig mitbekommen. Doch abschließend kann  ich sagen: Ich bin dankbar dafür, einen Einblick in diesen so anspruchsvollen und vielfältigen Beruf erhalten zu haben. Mein Respekt gegenüber diesem Berufsstand ist in jedem Falle gewachsen! Erstaunt und dankbar bin ich auch für die Offenheit mir gegenüber und die mich nachdenklich stimmenden Gespräche. "Und, kommste nochmal wieder? Haben wir Dich gut behandelt?" Ja, sehr gerne. Ja :-)

Mechthild Michalski.