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Ich war im Gefängnis und ihr habt mich besucht!

Berlin Interesting

Ein Interview mit den katholischen Gefängnisseelsorgern
 Stefan Friedrichowicz (S.F.) und Alexander Obst (A.O.). Mit ihnen sprach Manuel Linke.

Wie sieht der alltägliche Tagesplan eines Gefängnisseelsorgers aus?

S.F.: Ich habe ca. 20 Klienten, mit denen ich mich regelmäßig treffe. Zudem sind wir des Öfteren bei Besuchsgesprächen dabei. Jederzeit kann es auch passieren, dass jemand Suchtdruck empfindet und dringenden Gesprächsbedarf hat. Oftmals klopfen sie aber auch, um einfach so zu reden. Der Gesprächsbedarf und das Bedürfnis, dass Einem zugehört wird, sind enorm. Zudem bilde und trainiere ich momentan ein  Schachteam und organisiere Freundschaftspiele. 
A.O.: Ich betreue momentan 8-10 Klienten, da ich noch eine Pastoralreferentenstelle in einem Dekanat habe. Spontane Gespräche sind jedoch auch bei mir keine Seltenheit. 

Welche Themen sprechen Sie in den Gesprächen an?

S.F.: Wir betrachten den ganzen Menschen und gehen sowohl auf die geistigen und geistlichen als auch auf die physischen Bedürfnisse der Inhaftierten ein. Neben der Angst aufgrund von Schulden spielt auch Sucht eine große Rolle. Besonders schwierig gestaltet sich die sogenannte Strafaufarbeitung, die zu unserem Aufgabengebiet gehört. Süchtigen Menschen, die sich nicht therapieren lassen, kann man kaum helfen, da es den Inhaftierten schwer fällt, Motive tiefgründig zu reflektieren. 
A.O.: Viele inhaftierte Männer haben draußen Frau und/oder Kinder. Als Vater für seine Kinder da zu sein, ist kaum umsetzbar und quält sie sehr. Viele können ihre Kinder nicht aufwachsen sehen. Im Falle, dass sie von der Kindesmutter getrennt sind, haben sie kaum eine Chance, das Sorgerecht zu behalten. Die Möglichkeit, dass sie von Freunden und Familie besucht werden, ist zwar gegeben, aber eine langjährige Haft hält kaum eine Beziehung aus. 

Wie kommt es zum Erstkontakt zu den Inhaftierten?

A.O.: Dies geschieht vorrangig auf zwei Wegen. Zum Einen können die Häftlinge mit einem Formular um ein Treffen bitten. Zum Anderen haben wir unsere regelmäßigen Angebote wie z.B. verschiedene Gottesdienste, Andachten oder Bibelgespräche. Zu den Gottesdiensten kommen meist zwischen 30 und 50 Personen. In wenigen Fällen fragen wir, ob das Interesse an ein Treffen besteht.

Gibt es eine Betreuung nach der Haftentlassung?

S.F.: Wenn wir nach der Entlassung kontaktiert werden, sind wir auch weiterhin für die jeweilige Person ansprechbar. Wir suchen jedoch ganz bewusst nicht den Kontakt zu ehemaligen Häftlingen, da wir stets mit der Haft assoziiert werden. Organisationen wie die Stadtmission oder „Freie Hilfe“ stehen jedem jederzeit zur Verfügung. Die Zusammenarbeit beginnt bereits während der Inhaftierung, um einen nahtlosen Übergang zu erreichen. 
A.O.: Die gesellschaftliche Entwicklung wird im Gefängnis kaum wahrgenommen. Eine Neuorientierung nach der Entlassung stellt eine enorme Herausforderung da. Das Beziehungsgeflecht hält eine längere Inhaftierung kaum stand, so dass die persönliche Freiheit, eine Entscheidungsfreudigkeit und soziale Orientierung erst neu erlernt werden muss.

Haben Sie Wünsche für die Gefängnisseelsorge bzw. für die Häftlinge?

S.F.: Wir wünschen jedem Einzelnen, dass er aus der Spirale und aus seiner inneren Enge herauskommt und eine innere Freiheit erlangt. Für die Gefängnisseelsorger wünsche ich mir stets genügend Personal, denn diese Arbeit ist sehr kostbar und wichtig. Die Erfahrungen, die diese Arbeit mit sich bringt, berreichert auch uns persönlich. 

Das Interview führte Manuel Linke.