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Wenn das Leben keinen Sinn mehr bietet….

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Ein Interview mit der Leiterin der Selbsthilfegruppe AGUS (Angehörige um Suizid) Patricia Gerstendörfer. Seit 2010 leitet sie nun die Berliner Selbsthilfegruppe.

Foto: Jürgen Laufer, „Nautilus achitectonicus“, Some rights reserved. Quelle: www.piqs.de
Foto: Jürgen Laufer, „Nautilus achitectonicus“, Some rights reserved. Quelle: www.piqs.de

Inwiefern können Sie Menschen nach einem Suizid einer nahestehenden Person überhaupt helfen?

Helfen kann ich ihnen nicht wirklich. Ich kann diese Menschen auf ihrem Weg der Trauer unterstützen. Ratschläge helfen in ihrer Situation nicht wirklich. Es ist vor allem wichtig, dass ihnen zugehört wird und sie spüren, sie sind mit ihrer Situation und ihren Gedanken nicht allein. Vor allem das „Warum?“ und die Vorwürfe, „ich hätte es verhindern können/müssen“ quält jeden einzelnen Angehörigen, worauf es keine helfende Antwort gibt.

Wie lang dauert in etwa der Prozess der Begleitung?

Dafür gibt es keine Richtlinie und die Erfahrungen sind recht unterschiedlich. Unsere Selbsthilfegruppe trifft sich ein- bis zweimal im Monat. Einige Betroffene kommen sehr regelmäßig über Jahre hinweg, andere nur ein paar Mal im Jahr oder nur in Phasen, in denen die Trauer wieder größer wird. Für viele ist die Selbsthilfegruppe auch nicht der richtige Ort zur Bearbeitung ihrer Trauer. kommen ein paar Male, andere bleiben mehrere Monat oder etwa ein Jahr. Zu den Treffen kann jeder kommen wer will – ohne Voranmeldung. Die AGUS-Gruppe ist eine offene Gruppe, zu der jeder Betroffene, unabhängig davon, wen er verloren hat, kommen kann. Mit den meisten Betroffenen spreche ich vor ihrem ersten Besuch der Gruppe, danach ist das Kommen ohne An- und Abmeldung möglich. Die Last der Verpflichtung hinzugehen, wenn man sich einmal angemeldet hat, ist in der schweren Situation kaum tragbar. Sie sollen kommen, wenn sie sich so fühlen und das unmittelbare Bedürfnis haben, sich mit den anderen zu treffen. Es ist daher jedes Mal eine Überraschung, wer und wie viele kommen.

Gibt es noch andere Formen der Unterstützung außer Gruppengespräche?

In erster Linie gibt es momentan nur die Selbsthilfegruppe. Ich bin jederzeit bereit den Menschen am Telefon oder per Mail / Brief zur Seite zu stehen.

Worin liegen die Schwerpunkte der Gruppengespräche?

Es geht in erster Linie darum, sich auszusprechen und die Trauer nicht in sich gefangen zu halten. Die Vorwürfe wie z.B. „Ich hätte es doch bemerken und verhindern müssen!!“ quälen einen zu tiefst, so dass man eigentlich selbst gar nicht mehr weiterleben will. Man glaubt, sich für das Geschehene bestrafen zu müssen und man keine Freude mehr empfinden darf. Das aufzufangen ist eine große Herausforderung, was man nur schafft, wenn man wirklich weiß, wovon die Angehörigen sprechen. Daher sind die Gruppengespräche unter Gleichgesinnten sehr vorteilhaft.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der AGUS? 

Ich merke immer wieder, dass eine Selbsthilfegruppe für die benötigte Unterstützung nicht ausreichend ist. Viele trauen sich den Besuch einer Selbsthilfegruppe (noch) nicht zu und suchen ein Einzelgespräch. Vor allem Menschen, die einen Suizid eines Angehörigen befürchten, suchen immer wieder unsere Hilfe (für diejenigen ist AGUS eigentlich nicht zuständig). Ihnen und allen Betroffenen, die mit ihrer erschwerten Trauer nicht alleine zu kommen, möchten wir gern mit einer Beratungsstelle weiterhelfen. Dafür fehlt allerdings derzeit ein Sponsor oder Träger.

Mit Partricia Gerstendörfer sprach Manuel Linke.

Foto rechts oben: Jürgen Laufer, „Nautilus achitectonicus“
Some rights reserved. Quelle: www.piqs.de